10. August 2025 | 16:30 Uhr | Ausstellungsprojekt
MNEMOSYNE
Ein Ausstellungsprojekt für den Bremer Norden
kuratiert und inszeniert von Inga Harenborg
An den Schnittstellen von Erinnerung, Wirklichkeit und Geschichte(n) beschäftigt sich das Nordbremer Ausstellungsprojekt mit Bildfindungen zwischen Fotografie, Projektion und Performance, hinterfragt die Narrative öffentlicher Räume und verwischt die Grenzen, wobei die Ausstellung entlang der Weser eine verbindende Linie durch den Bremer Norden und evtl. bis in die Stadtmitte schafft.
Der öffentliche Raum ist ein Ort des Austauschs, der Begegnungen und des sozialen Miteinanders. Er fördert die Vielfalt, den kulturellen Austausch und bietet Raum für demokratische Diskussionen und Interaktionen, was zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts beiträgt. Hier werden Demokratie und Gesellschaft erlebt, gelernt und gelebt.
Erstmals kooperieren alle Nordbremer Stadteile in einem für alle Besucher:innen frei zugänglichen Kunstprojekt miteinander. An drei sehr unterschiedlichen Orten im Bremer Norden werden vier sehr unterschiedliche künstlerische Positionen im öffentlichen Raum gezeigt. Die Ausstellungsorte sind: Kränholm und Knoops Park, das Geschichtenhaus mit dem Nautilus- Gebäude am Vegesacker Hafen und der Denkort Bunker Valentin in Farge. Auch in der Bremer City wird es evtl. eine Erweiterung geben, so dass hier eine Anbindung über die Weser besteh.
1. Isabella Berr (https://www.isabella-berr.de/ ): Kränholm Galerie / großformatige transparente Fotos in Knoops Park sowie im Treppenhaus des Vegesacker Geschichtenhauses bzw. am Nautilushaus Vegesack (Eröffnung zur Langen Nacht der Bremer Museen 2025)
2. Mabel 4711: Denkort Bunker Valentin Innenfenster zum Tauchbecken sowie evtl. Städtische Galerie Außenbereich (Eröffnung zur Langen Nacht der Bremer Museen 2025 bis 31.Juli 2025)
3. Pia Pollmanns (http://www.piapollmanns.de/): „was bleibt“ 63 Archive _ Vegesacker Geschichten Haus (Eröffnung im Frühjahr 2026 geplant)
4. Paul Emmanuel https://www.paulemmanuel.net ): Denkort Bunker Valentin/Farge (Eröffnung im Frühjahr 2026 geplant)
Es handelt sich um ein kuratorisches Konzept, das verschiedene Orte im Bremer Norden verbindet. Es fordert dazu auf Kunst aufzusuchen, ihren vielfältigen Dialog mit den jeweiligen frei zugänglichen Standorten zu erkunden und (Kunst-) Räume als aktive Parameter zu erleben. Oft werden dabei unerwartete Bezüge deutlich und ganz neue Perspektiven auf die jeweiligen Orte, deren Eigenarten und Besonderheiten eröffnet.
Angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen beispielsweise in den USA Stichwort „Bilderlöschkampagne“ von einer "gruseligen“ Aktualität.
Das Projekt erkundet unterschiedliche Erinnerungsräumen und Ebenen, individuell privat und kollektiv gesellschaftlich. Es holt die Betrachter*innen zunächst in ihren individuellen ganz persönlichen Erinnerungsräumen ab, um dann auf gesellschaftsrelevante übergeordnete Ebenen des kollektiven und kulturellen Gedächtnisses zu verweisen.
- Was wird wie erinnert und warum?
- Welche Erinnerungen bilden ein Narrativ, dass im Verlauf des Erzählens kanonisiert zu
Geschichte avanciert? - Wie lässt sich Erinnerung bewahren, ohne an Authentizität zu verlieren, oder sich unter
beliebigen Vorzeichen selbst zu korrumpieren oder gar aufzulösen? - Was ist wirklich bzw. Wirklichkeit?
- Welche Zusammenhänge gibt es zwischen dem Ersten Weltkrieg, dem Zweiten Weltkrieg
und welche Bezüge zur Gegenwart mit den aktuellen Weltkonflikten lassen sich
herstellen - Welche Funktion haben Gedenkstätten?
- Ist es möglich, verschiedene Arten des Gedenkens miteinander zu verbinden?
- Wie gehen wir heute und zukünftig mit unserem transgenerationalen Erinnerungserbe
um? Stichwort „Identität“
Die unterschiedlichen Raumsituationen werden zu kuratorischen Experimentierfeldern, welche das Potenzial vielschichtiger Zugänge zum Thema erproben. Kunst beschreibt oder kommentiert keinen vorbestimmten Sachverhalt. Die Arbeiten stehen im Weg, tauchen unverhofft auf und suchen den Dialog mit der Betrachterin/dem Betrachter, wollen herausfordern und zum Denken anregen, an Orten, wo man sie nicht erwartet. Intervenierend verändern sie die Formen der Wahrnehmung, der Begegnung, der Verbindung und der Konfrontation. Wechselnde Umgebungen werden künstlerisch erschlossen, variable Räume erprobt, um auf das Thema zu reagieren. So verweisen die Arbeiten auf sehr unterschiedliche Aspekte der Wahrnehmung von Wirklichkeit, Erinnerung und Geschichte und machen Ihren Standort bzw. Standpunkt wie auch sich selbst - zu dialogischen Resonanzräumen.
Transformation und Transition sind hier andauernde Prozesse. Mich interessiert beispielsweise wie mentale und physische Landschaften bei der Konstruktion von Erinnerungen und Identitäten interagieren. Beim Aufdecken von Dingen, die aus der Dunkelheit auftauchen, finde ich es spannend, Geschichte direkt an unser (kollektives) Körpergedächtnis anzudocken und individuelle innere Ebenen anzusprechen, eine Matrix, auf der Erinnerung und Geschichte in unseren Körper eingeschrieben sind.
Diese Gedanken aufnehmend, führt der kuratorische Ansatz zu einer lebendigen Überlieferung von Inhalten, die nicht abgeschlossen sein wollen, sondern weitergedacht, um im Prozess des Werdens ihr volles Potential zu entfalten. Identität wird zu einem durchlässigen Ort, fließend in Zeit und Raum. Von den individuellen formalen und inhaltlichen Eigenschaften der Kunstwerke ausgehend lädt das Ausstellungsprojekt dabei zur Auseinandersetzung mit den materiellen und immateriellen Vorstellungsbildern der Betrachter*innen ein. Stichwort „Kulturelles Gedächtnis“.
Denn, »gegeben sind also nicht mit sich selbst identische Dinge, die sich dem Sehenden im Nachhinein darbieten werden, und ebenso wenig gibt es einen zunächst leeren Sehenden, der sich ihnen im Nachhinein öffnen würde, sondern gegeben ist etwas, dem wir uns nur nähern können, indem wir es mit dem Blick abtasten, Dinge, die wir niemals ›ganz nackt‹ zu sehen vermöchten, weil der Blick sie selbst umhüllt und sie mit seinem Fleisch bekleidet.« (Merleau- Ponty, 1986, S. 173)
In der Gesamtschau verweisen die unterschiedlichen künstlerischen Positionen von MNEMOSINE auf eine Metaebene, die zunächst allein das menschliche Sein / Menschsein / und menschlich sein adressiert und durchlässig ist wie unsere Haut.
- Was zeichnet die Idee der Menschlichkeit, die ich als eigenständiges universelles, allen Menschen eigenes Phänomen sehe und die, im Sinne des englischen „being humane“, das über „being human“ hinausgeht, aus? (5)
- Kann man sie künstlerisch erforschen, pädagogisch vermitteln, politisch umsetzen?
- Warum ist die Idee des Menschlichen in der westlichen Kultur bisher ein uneingelöstes Versprechen geblieben und wie lässt sich das ändern?
- Welche Bedeutung hat die Erforschung der Menschlichkeit für die Transformation veralteter sozialer, kultureller, wirtschaftlicher und umweltpolitischer Strukturen?
- Welche Impulse können Denkorte und Kunsträume in diesem Zusammenhang geben?
Trägerschaft:
Stiftung Haus Kränholm & Förderverein Knoops Park e.v.
Kooperationspartner*innen:
Arbeitnehmerkammer Bremen, Geschichtenhaus Vegesack, Landeszentrale für politische Bildung, Denkort Bunker Valentin, MTV-Nautilus, Städtische Galerie Bremen (angefragt)
Das Konzept ist Ende 2024 im Rahmen von FuNK und im Auftrag der Wirtschaftsförderung (WFB) entstanden.
Die ersten beiden Ausstellungsteile wurden ermöglicht mit der freundlichen Unterstützung von:
Karin und Uwe Hollweg Stiftung, Freizeit- & Naherholungskonzept Bremen-Nord, WFB, Procedes Group, Beirat Burglesum, Freie Hansestadt Bremen, Beirat Vegesack, Freie Hansestadt Bremen, Förderverein Knoops Park e.V., Stiftung Haus Kränholm und Familie F. Grobien.
*Mnemosyne (altgriechisch Μνημοσύνη Mnēmosýnē, von μνήμη mnḗmē, deutsch ‚Gedächtnis', vergleiche lateinisch memoria) ist eine Gestalt der griechischen Mythologie sowie ein Fluss in der Unterwelt, dessen Wasser im Gegensatz zur Lethe nicht Vergessen, sondern Erinnerung herbeiführte. // vgl. Aby Warburg / „roter Faden“
BIOGRAPHISCHES
Inga HarenborgAls freie Kuratorin, Kulturwissenschaftlerin und Kulturmanagerin setze ich - in enger Zusammenarbeit mit Museen, Universitäten und weiteren Kulturinstitutionen - seit Jahren vielschichtige Kunst- und Kulturprojekte im In- und Ausland um. Der inter- bzw. transdisziplinäre Ansatz und die damit verbundene Betrachtung von gesellschaftsrelevanten Themen und Phänomenen, wie auch das vernetzte Arbeiten ist dabei für mich von besonderem Wert.
Mein beruflicher Weg führte zunächst nach São Paulo, Rio de Janeiro und Salvador da Bahia, Brasilien, wo ich mich mit Afro-brasilianischer Kultur und kultureller Identität beschäftigte. Es folgten Stationen am Bremer Überseemuseum, und später am Staatstheater Nürnberg. Als persönliche Referentin der Ballettdirektorin Daniela Kurz sowie Produktionsleiterin und Dramaturgin des Ballett Nürnberg setzte ich mich intensiv mit zeitgenössischem Tanz-Theater auseinander. An den Goethe-Instituten in München und Melbourne (AU), war ich mit der künstlerischen und organisatorischen Leitung von intern. Kulturprogrammen und kulturpolitisch relevanten Projekten betraut. In Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt und verschiedenen Kulturinstitutionen im In- und Ausland hatte ich die Gelegenheit auf internationaler Ebene zu wirken. Schwerpunkte: Bildende Kunst und zeitgenössischer Tanz.
Zurück in meiner Heimatstadt Bremen bin ich seit 2012 als künstlerische Leiterin der Stiftung Haus Kränholm und freie Kuratorin für die Entwicklung temporärer Ausstellungsformate, an besonderen Orten, mit relevanten zeitgenössischen Werken von Künstlerinnen und Künstlern verantwortlich. In Kooperation mit dem Gerhard-Marcks-Haus und weiteren Bremer Kulturinstitutionen initiierte ich in 2020/21 beispielsweise das Verbundprojekt: BREMEN VIERKANT. Robert Schad - Skulpturen in Knoops Park und realisierte ein umfangreiches Begleitprogramm. Die tanzbezogenen Aspekte der Arbeit Robert Schads wurden zudem im Rahmen einer filmischen Dokumentation, durch das deutsche Tanzfilminstitut, Bremen festgehalten. In 2023 konzipierte und realisierte ich das Ausstellungsprojekt „Schwebende Wasser“. Willi Weiner. Skulpturen in Knoops Park, wobei ein temporärer beweglicher Kunstraum „Cube 2“ zeitlich versetzt an drei unterschiedlichen Positionen in Knoops Park installiert wurde. Beide Projekte mündeten in der Veröffentlichung einer Publikation.
Die Arbeit einer Künstlerin, eines Künstlers in Räume zu bringen, die spannende Fragen stellen; ein Milieu zu schaffen, in dem die Betrachtenden Bilderfahrungen machen können und das Kunstwerk im Zusammen- bzw. herbeiführen von Kontextmöglichkeiten eine Bedeutung gewinnen kann, die es außerhalb davon nicht hat. Das interessiert mich und macht mir Spaß. Kunst und Kuration sind für mich immer auch ein sinnliches wahrnehmungsschärfendes Forschungsfeld. Kunst als Wissenschaft der Sinne, sozusagen. Im Prozess des Kuratierens können, über das Werk hinausweisende, komplexe Themen, Inhalte und Bezüge untersucht und sichtbar gemacht werden, so dass sich beim Ausstellen selbst eine zusätzliche Vision offenbart. Ich habe Lust „aktive“ Räume zu entwickeln, die unvorhergesehene Erfahrungen und Erkenntnisse ermöglichen. Mich interessiert die Ebene dahinter, darüber und darunter, der Zwischenraum, der Übergang, das sich gegenseitig Durchdringende, gar Fluide in Wissenschaft, Kunst und Kuration, von Werk und Raum. Dabei ist die Kuration für mich immer auch so etwas wie eine Antwort, Reaktion, oder Resonanz auf-, und ein Angebot an das Werk der Künstlerin / des Künstlers, ein künstlerisches Gespräch ohne Worte, eine Begegnung und eine Herausforderung.
An der Schnittstelle von temporären und permanenten Raumsettings, sehe ich die Chance, Ausstellungsformen zu entwickeln, die quer zu den überkommenen Ausstellungspraktiken in das Werk des Künstlers / der Künstlerin einführen und neue Zugänge zur Kunst wie auch zu den Orten an denen sie gezeigt wird ermöglichen.
Inga Harenborg lebt und arbeitet in Bremen und ‚zwischen Hamburg und Haiti‘